Internet-Archäologie: Ausgrabungen in meiner virtuellen Vergangenheit

Disclaimer: Enthält Internet-Nostalgie. Die guten alten Web-Zeiten und so.

Ich bin Internet-Archäologe. Richtig aufgeregt war ich heute Morgen, als ich mich mithilfe der Wayback Machine durch die Fragmente einer meiner alten Websites gearbeitet habe.

Die Website, die ich ausgegraben habe war mein Wohnstollen aus Nachtschulzeiten. Eine Mischung aus einer persönlichen Homepage meines Alter Egos und Fan Non-Fiction.

Kleiner Exkurs

Kennst du das Buch „Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubärs“? Sehr fantasievoll erfindet Walter Moers darin einen ganzen Kontinent, genannt Zamonien, mit skurillen Wesen, Orten, Bräuchen und Begebenheiten.

Dieses Buch habe ich geliebt! So sehr, dass ich Zamonien nach dem Lesen der letzten Seite nicht wieder verlassen wollte. Zum Glück ging es anderen genauso, und der damalige Verlag hat den Fans ein Zuhause gegeben – in Form der Nachtschule.

Als Schülerin der Nachtschule brauchte ich natürlich meinen eigenen, repräsentativen Wohnstollen (= Website). Und darum ging am 28. März 2005 der Wohnstollen von Rettungssaurier Lainves online.

Kleine Randbemerkung: Wenn du phantasievolle Literatur liebst und die Bücher rund um Zamonien nicht kennen solltest, lege ich dir diese sehr ans Herz. Meine liebsten sind:

  • Die Stadt der Träumenden Bücher – Amazon*
  • Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär – Amazon*
  • Rumo & die Wunder im Dunkeln – Amazon*

* Die gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Das bedeutet, wenn du auf den Link klickst und etwas kaufst, erhalte ich eine kleine Provision.

Meine Website von damals

Der Wohnstollen war ganz anders aufgebaut als mein Blog hier. Ich hatte verschiedene Räume, die ich nach und nach weiter ausgebaut habe. Ich habe versucht, das in einer kleinen Sitemap darzustellen, damit du es besser nachvollziehen kannst.

Übersichtskarte des Wohnstolles mit fünf Räumen: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Studierzimmer, Küche und Ahnengalerie

In den Räumen gab es verschiedene Dinge zu entdecken. Im Schlafzimmer gab es beispielsweise eine Patchworkdecke aus selbstgemalten Bildern, an der sich meine Nachtschul-Mitschüler beteiligen konnten. Außerdem gab es in der Küche ein Kochbuch mit zamonischen Rezepten, in einem Notizbuch schrieb ich an meiner fiktiven Biographie, Gäste konnten meine Ahnengalerie betrachten und natürlich hatte ich ein Gästebuch – das gehörte damals zum guten Ton einer jeden Webseite.

Am meisten Arbeit hatte ich aber in ein Stollen-Labyrinth gesteckt. Das war ein von mir illustriertes Labyrinth, durch das Besucher meines Stollens irren konnten – inklusive irrem Stollentroll. Jeder Abschnitt des Stollens war dabei eine eigene Unterseite, die abzweigenden Gänge waren auf weitere Abschnitte verlinkt.

Leider konnte ich diese Bereiche meines Stollens nicht wiederherstellen. Das Einzige, was ich retten konnte, war eine alte Hausaufgabe im Fach „Zamonische Biologie“, die ich im Februar 2005 geschrieben habe. Sie ist etwas länger, du kannst sie mit einem Klick auf den Text ausklappen.

Fangen Sie bis zur nächsten Stunde 12 Schlechte Ideen 12 verschiedener zamonischer Daseinsformen. (Genaue Angaben, welche Idee welcher Daseinsform gehört!)

Auf meiner Suche nach schlechten Ideen begann ich in den zamonischen Wäldern. Leider fand ich so die erste schlechte Idee bei mir selbst, meines Zeichens ein Rettungssaurier, da ich nämlich unvorsichtiger Weise in ein Stinktierchen trat und so meine weitere Suche nachhaltig behinderte, da viele Geschöpfe vor meinem penetranten Geruch Reißaus nahmen.
Deshalb entschloss ich mich, ein mehrstündiges Bad im Golf von Zamonien zu nehmen, wo ich auch schon die nächste schlechte Idee einfangen konnte. Ich beobachtete nämlich einen Zwerpiraten dabei, wie er nach übermässigem Rhummkonsum sein eigenes Schiff versenkte.

Durch diesen Erfolg ermutigt, setzte ich meine Suche in der nächsten Stadt fort. Das war ein Glücksgriff meinerseits, da dort eine Welle der schlechten Ideen mir entgegenbrach. Zunächst entdeckte ich einen Biologen der Gattung Mensch, der sich weit über einen geöffneten Gullydeckel beugte, um das Fressverhalten des gemeinen Kanaldrachens zu studieren. Leider konnte ich ihn anschließend nicht mehr befragen, wie er auf diese Idee, die außergewöhnlich schlecht war, gekommen war.

Hier findet sich auch schon meine nächste schlechte Idee, die ich einfangen konnte, nämlich die Idee des Kanaldrachens, den Biologen zu verschlingen. Der Kanaldrache schlief sofort nach dem Mahl ein, obwohl er noch halb aus dem Gully ragte. Das wurde ihm zum Verhängnis, denn so konnte er als eines der ersten lebenden Exemplare zum Zoo gezerrt werden. Der Arme musste bei seinem Erwachen feststellen, dass sein Futter von nun an aus altem Salat und Fischstäbchen bestehen würde.

Ich suchte unterdessen schon wieder weiter und wurde in der zamonischen Geschichtsschreibung fündig. Dort las ich von den Buntbären, die bei einem zwielichten Anbieter eine Reise in die süsse Wüste gebucht hatten. Am Reiseziel angekommen wurden sie jedoch in Tüten gepackt und als gezuckerte Bärchen an andere Touristen verkauft. Seither gelten die bunten Bären in Zamonien als ausgestorben.

Nach diesen ausgiebigen Recherchen fand ich, dass es an der Zeit war für eine wohlverdiente Pause, doch ich wurde durch eine heulende und kreischende Haifischmade gestört. Als ich sie nach dem Grund für ihre miese Stimmung fragte, antwortete sie mir, dass sie die schlechte Idee gehabt habe, von nun Geld nur noch auf ehrliche Weise zu verdienen. Dabei sei sie kläglich gescheitert und außerdem sei sie von den anderen Haifischmaden verstoßen worden. Das war wirklich eine schlechte Idee für eine Haifischmade gewesen!

Nun hatte ich 6 schlechte Ideen, also genau die Hälfte.
Doch die nächste schlechte Idee war natürlich nicht weit entfernt. Ich traf eine Zeitschnecke, die unglaublich viel gefressen hatte. Nach einiger nervtötender Fragerei bekam ich aus ihr heraus, dass sie so hungrig gewesen war, dass sie mehrere Tage auf einmal gefressen hatte. Leider hatte sie dabei auch ihren eigenen Geburtstag erwischt.

Ich war ergriffen, dass schlechte Ideen einzelner Geschöpfe solch eine Tragik mit sich bringen konnten, doch ich musste weiter, denn neue, noch schlechtere Ideen warteten schon auf mich.

Ich zog in die Berge Zamoniens um dort weiterzusuchen. In einem sehr schmalen und engen Stollen beobachtete ich einen Stollentroll dabei, wie er das Anmeldeformular zum alljährlich stattfindenden zamonischen Event „Zamonien sucht das beliebteste Geschöpf“ ausfüllte. Fast hätte ich Mitleid gehabt, wenn es sich hier nicht um einen Stollentroll handeln würde.

Schon einen Stollen weiter fand ich einen Gimpel, der die extrem schlechte Idee gehabt hatte, ein nomadisches Dasein zu beenden und zusammen mit einer Kakertratte eine WG zu bilden. Diesen Entschluss bereute er nun verständlicherweise.

Noch schwerer getroffen hatte es jedoch eine Berghutze, die zwei Kilometer weiter lebte. Sie hatte die schlechte Idee gehabt, sich umzustylen und hatte einen Frisör aufgesucht. Der neue Kurzhaarschnitt war so abstoßend, dass sich sich heulend unterm Bett verkroch und zu keinem Gespräch mit mir bereit war (worüber ich auch ganz froh bin, denn lange hätte ich den Anblick nicht ertragen).
Langsam wurde ich müde und deshalb fiel es mir ausgesprochen schwer, noch weitere schlechte Ideen zu fangen, da wurde mir plötzlich bewusst, dass ich die offensichtlichste schlechte Idee doch tatsächlich übersehen hatte. Die schlechte Idee stammte von einer schlechten Idee und ich denke, weitere Erklärungen sind hier unangebracht.

Meine letzte, fehlende schlechte Idee wollte ich in ländlicher Umgebung einfangen, denn ich hatte gehört, dass sie dort besonders zahlreich vorhanden seien. Ich besuchte aus diesem Anlass einen Fhernhachen, der aufgrund einer schlechten Idee jedoch nicht mehr als solcher zu erkennen war, da er sich wenige Tage zuvor bei einem angesehenen Arzt die Fhernhachenbäckchen entfernen lassen hatte. Nun konnte er nicht mehr lächeln.

Meine Jagd nach schlechten Ideen war nun beendet und ich hoffe, dass mir in der nächsten Zeit keine mehr begegnet.

Was ich von meiner kleinen Zeitreise mitnehme

Bei den Ausgrabungen heute habe ich daran zurückgedacht, wie viel Spaß es mir gemacht hat, die Website Schritt für Schritt zu erweitern.

Aktuell besteht meine Website in erster Linie aus diesem Blog. Mein Blog funktioniert im Wesentlichen so, dass ich im Hintergrund an Artikeln arbeite und diese veröffentliche, wenn sie fertig sind. Und das wiederhole ich für jeden einzelnen Beitrag. Jeder Artikel ist also ein kleines, in sich geschlossenes Mini-Projekt.

Im Gegensatz dazu war meine Webseite früher ein größeres, offenes und vor allem nie ganz fertiges Projekt. Ich habe immer an der ein oder anderen Stelle in meinem Stollen gegraben (bevor er aus meinem Fokus geraten ist und schließlich eingestürzt ist).

Einen nicht linearen, offenen Bereich hätte ich auch gerne wieder auf meiner Website. Vielleicht eine Art Online-Atelier?

Meine Ideen haben mich direkt in das nächste Rabbit Hole geführt: Digital Gardening. Der Ansatz bei der Erstellung eines Digital Gardens ist, dass Inhalte schon in der Ideenphase (Samen) veröffentlicht werden und dann öffentlich nach und nach weiter ausgebaut werden, bis sie zu einem Baum ausgereift sind. Die Beiträge sind nicht nach ihrem Entstehungsdatum sortiert, sondern inhaltlich sinnvoll verknüpft und gruppiert. Da ich Gärten liebe, fällt die Garten-Metapher bei mir natürlich auf fruchtbaren Boden ^^

Folgende Artikel zu Digitalen Gärten haben mich inspiriert:

Wenn du weitere empfehlenswerte Artikel kennst oder dich selber schon mit digitalen Gärten beschäftigt hast, freue ich mich sehr über deinen Kommentar!

Ganz im Sinne des Ansatzes des Digital Gardens ist mein Plan für einen offenen Bereich auf meiner Webseite aktuell nur eine Idee. Bist du neugierig, wie mein Digital Garden wachsen wird? Dann abonniere meinen Newsletter und begleite mich!


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Kommentare

2 Antworten zu „Internet-Archäologie: Ausgrabungen in meiner virtuellen Vergangenheit“

  1. Avatar von Sari

    Oh man, die 13 1/2 Leben… ich habs geliebt… es war so konfus und doch so umfangreich und voller verrückter Ideen. Ich habe es mal während Corona mit den Kindern nochmal angefangen. Wir kamen ungefähr bis zur Hälfte, dann brauchten sie eine Pause. Ich sollte mal wieder mit ihnen weiter daran lesen…

    1. Avatar von Caromite

      Hallo Sari, ich möchte es unbedingt auch meinem Sohn vorlesen. Mal gucken, ob das schon geht. Wir haben letztes Jahr die Insel der 1000 Leuchttürme angefangen, die mythenmetzschen Abschweifungen sind aber für kleinere Kinder eher nichts 😅

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